Das erfreut hoffentlich nicht nur den Plagiatsgutachter: Im Programm der neuen österreichischen Bundesregierung findet sich im Abschnitt „Maßnahmen“ des Unterkapitels „Wissenschaft“ als dritter Punkt: „Weitere Maßnahmen gegen ‚Ghostwriting‘, Plagiate und Datenfälschung“ (S. 70).
Nun, Plagiate gibt es nicht nur in der Wissenschaft: Man denke an Produktplagiate in der Wirtschaft, an plagiierte Predigten in der Kirche, an abgekupferte Reden von Politikern und an immer wieder aktuelle Plagiatsvorwürfe in der Kunst. Also ist es naheliegend und spannend, einmal auch ein Regierungsprogramm auf Plagiat zu überprüfen.
Der Turnitin-Report Nr. 897188452 vom 17. Dezember 2017 ermittelt sechs Prozent Übereinstimmungen mit anderen Texten. Der geschulte Interpret weiß: Das ist nicht gerade wenig für einen Text, in dem sich keine Literaturangaben befinden und auch keinerlei Literatur zitiert wird (Werte unter 10 Prozent erklären sich häufig durch identische Literaturtitel). Genaues Hinsehen ist also gefragt!
Die gute Nachricht: Nur bei den grundlegenden Werten/Prinzipien sowie in den Beschreibungen des Status quo, also in den Ist-Analysen ist das neue Regierungsprogramm zu Teilen ein Plagiat aus älteren ÖVP- und FPÖ-Grundsatzpapieren. Bei der Nennung der Maßnahmen wurde nur selten geklaut, siehe etwa das Kapitel über die Verwaltungsreform.
Ein Beispiel für das übernommene Prinzipien-Wording finden Sie hier:
Aus S. 9: Grau markiert ist identisches Wording aus früheren FPÖ-Papieren, lila markiert Selbiges aus früheren ÖVP-Papieren. Während die FPÖ noch forderte, dass Österreich „sein Staatsgebiet mit allen Mitteln zu schützen“ hat, wurde das „mit allen Mitteln“ für das Regierungsprogramm gestrichen. Sechs von den insgesamt elf Prinzipien des Regierungsprogramms fußen so auf Copy/Paste-Übernahmen früherer Partei-Formulierungen.
Das Kapitel zur Verwaltungsreform (S. 13 bis 16) ist zu guten Teilen wortidentisch mit dem Papier „Positionen für eine nachhaltige Entwicklung Österreichs“ des Rechnungshofs aus dem Jahr 2016.
Josef Moser schrieb 2016 als Präsident des Rechnungshofs:
„Es gilt, Maßnahmen zu setzen, damit die öffentlichen Mittel bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen und nicht – wie es derzeit der Fall ist – in den veralteten Strukturen versickern.“
Daraus wurde nun (Regierungsprogramm, S. 13):
„Wir müssen Maßnahmen setzen, damit die öffentlichen Mittel bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen und nicht – wie es derzeit häufig der Fall ist – in den veralteten Strukturen versickern.“
Nicht immer handelt es sich um Übernahmen aus früheren Wordings der Regierungsparteien selbst. Der Beginn des Kapitels über Landesverteidigung wurde aus der „Teilstrategie Verteidigungspolitik 2014“ (S. 7) des damals sozialdemokratisch geführten Ministeriums übernommen:
Ich stelle zur Diskussion:
- Sollte man auch bei politischen Papieren wie Regierungsprogrammen das Zitiergebot und die Verpflichtung zu Quellenangaben einführen – zwecks Transparenz? Oder würde das eher von den Inhalten ablenken?
- Oder: Sollte man, wo ohnedies überall ein „schlanker Staat“ gefordert wird, auch „schlanke Regierungsprogramme“ fordern, in denen dann Status quo-Schilderungen mittels Copy/Paste gar nicht mehr vorkommen müssen und nur noch konkrete Maßnahmen genannt werden?
- Oder drittens: Sind solche Übernahmen sowieso egal?
Als viertes Beispiel der Beginn der S. 68. Zwei Seiten später die Forderung nach Maßnahmen gegen Plagiate.