Plagiatsvorwurf gegen „Deutschlands Psychologin Nr. 1“ Stefanie Stahl

Die ohnedies schon erstaunlich lange Liste der Sachbuchplagiate am deutschsprachigen Buchmarkt ist nun um einen klingenden Autorennamen reicher: Dipl. Psych. (mit Abschluss an der Universität Trier) Stefanie Stahl. Sie wird ihrer Leserschaft die Frage beantworten müssen, warum sie in ihrem jüngsten SPIEGEL-Bestseller „Wer wir sind“ unter anderem aus der „Zeit“ und aus der „Welt“ abgeschrieben hat – vor allem aber aus dem Hauptwerk ihres Mentors Klaus Grawe mit dem Titel „Neuropsychotherapie“ (2004).

Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet heute exklusiv darüber (der „SZ“ lagen am Beginn ihrer Recherche noch 25 Plagiatsfragmente vor, hier im Blog dokumentiere ich 34, mittlerweile sind es 36) und hat auch schon Stellungnahmen der „Abschreib-Opfer“ eingeholt.

Mit wissenschaftlichem Arbeiten hat das Buch jedenfalls nichts zu tun. Von den Plagiaten zu trennen ist eine überfällige Diskussion zum „wissenschaftlichen“ Ansatz selbst. Da findet man neben einer fragwürdigen Verabsolutierung der Genetik und einer Huldigung des Neuro-Linguistischen Programmierens auch einen unkritischen Verweis auf H. J. Eysenck. Bei vielen postulierten Kausalketten und Ratschlägen kam mir als Vater von drei Kindern nur in den Sinn: Bitte nicht ernstnehmen! Alleine das vertretene Mutterbild kommt einem Rückfall in die 1970er Jahre gleich.

Sie finden hier das komplette Plagiatsgutachten, das auf 28 Gutachtenseiten 34 Textplagiate dokumentiert. – Meine Bemerkungen dazu:

  • Plagiate durchziehen das Werk „Wer wir sind“ von S. 17 bis S. 312. Naturgemäß finden sich so gut wie keine Plagiate im Kapitel mit den Praxisbeispielen, also den eigenen Fällen. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
  • Stefanie Stahl kann nicht argumentieren, dass abgeschriebene Passagen durchwegs optisch in den Exkursen hervorgehoben worden wären; sie finden sich in diesen „wissenschaftlichen“ Exkursen zwar vermehrt, aber eben auch zahlreich im übrigen Fließtext.
  • Neun von 34 Plagiatsfragmenten hat Martin Jaksch (Informatiker, München) für mich gefunden. Er hat schon an der Aufstellung der Plagiate in den Sachbüchern von Annalena Baerbock und Diana Kinnert mitgearbeitet.
  • Die ursprünglichen Funde, vor allem im Buch von Klaus Grawe, hat die bundesdeutsche Fachärztin für psychosomatische Medizin und Psychoanalytikerin Diana Pflichthofer dokumentiert.
  • Ich teile mit ihr auch die Kritik an der Unwissenschaftlichkeit des Buchs – abseits vom Plagiieren.

Die spannenden Fragen sind aber nun: Welche sind die Gesetze des Buchmarkts, dass solche Bücher „Bestseller“ werden? Warum keine softwarebasierte Plagiatsprüfung im Verlag? Und wer steht dafür ein, dass Bücher wie diese tatsächlich den aktuellen Stand der psychologischen Forschung wiedergeben?

Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 1
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 2
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 3
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 4
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 5
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 6
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 7
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 8
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 9
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 10
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 11
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 12
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 13
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 14
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 15
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 16
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 17
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 18
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 19
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 20
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 21
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 22
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 23
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 24
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 25
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 26
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 27
Plagiatsgutachten Stefanie Stahl Seite 28

3 Kommentare zu “Plagiatsvorwurf gegen „Deutschlands Psychologin Nr. 1“ Stefanie Stahl

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  1. Ariane Ahlgrimm

    Auf ihrer Internetseite stephaniestahl.de gibt Frau Stahl an: 1999 Approbation.
    Psychotherapeuten brauchen, um eine Approbation zu erlangen, in Deutschland zusätzlich zum Studium eine 3-5jährige Aus/Weiterbildung in einer der Richtlinien-Verfahren (Verhaltenstherapie, Tiefenpsyhologisch fundierte Psychotherapie, Analytische Psychotherapie oder Sytstemische Therapie). Ich frage mich, in welchem der Verfahren sie ihre Ausbildung gemacht hat oder ob sie tatsächlich gar nicht nach deutschen Recht approbiert ist. Haben Sie dazu Informationen?

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  2. Interessierter Leser

    Nur ein Kommentar: den Abschnitt über die Wechseljahre finde ich nicht schlimm. Ich halte das für notorisches Wissen, was relativ stark umgeschrieben wurde.

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  3. Ralf Rath

    Der Jurist Adolf Theis und frühere Präsident der Eberhard-Karls-Universität Tübingen kritisierte bereits am 17. Juli 1985 anlässlich der feierlichen Eröffnung des Heinrich-Fabri-Instituts als einem internationalen Forschungszentrum in Blaubeuren, dass Kategorien sich wenigstens auf den jeweils von den Naturwissenschaften, der Medizin, den Geisteswissenschaften und vor allem den Sozialwissenschaften gemeinsam erreichten Erkenntnisstand zu erstrecken haben, wenn man nicht die Chancen einer lebenswerten Zukunft verspielen will. Angesichts dessen erstaunt es in der Tat ungemein, dass heutzutage eine Veröffentlichung ein Bestseller sein kann, der sämtlichen dadurch längst aus berufenem Mund heraus formulierten Anforderungen bald vierzig Jahre später nicht einmal im Ansatz genügt. Der Buchhandel jedenfalls scheint nicht mehr daran orientiert zu sein, ein ansonsten eskalierendes Leid notwendig zu ersparen. Otmar Issing als ehemaliger Volkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) spricht ohnehin erst vor wenigen Wochen von einer, wortwörtlich, „Perversion der Marktwirtschaft“. Dass eine Psychologin von insofern äußerst sexualisiert verübter Gewalt profitiert, die nicht zuletzt der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul inzwischen mit dem Kapitalverbrechen des Mordes vergleicht, lässt zumindest fraglich werden, ob Stefanie Stahl noch würdig ist, einen akademischen Grad zu führen.

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