Leserbrief-Schlagabtausch zur Rektorsposse an der Universität Salzburg: Wurde schon Polaschek nach einem „Einervorschlag“ rechtswidrig Rektor?

Die Universität Salzburg hat nun das geschafft, was jede Institution dieser Art vermeiden will: Ein untergriffiger Krieg wird nicht mehr nur in den Gremien, sondern auch in der Öffentlichkeit geführt.

Eigentlich wäre Wissenschaft ein Traumjob. Von der öffentlichen Hand finanziert kann man ein Leben lang seinen Themen und Forschungsfragen nachgehen, im Idealfall wirklich Neues schaffen. Man hat viel Ferien, kann in ein Forschungsfreisemester gehen und kassierte zumindest früher eine Pension, die oft noch fetter war als das zuletzt bezogene Gehalt. Eigentlich müssten in so einem Schlaraffenland der Geistesarbeit doch alle happy sein und sich wechselseitig zu Spitzenleistungen anspornen, oder? Doch (oder gerade deshalb?) klappt an den Universitäten fast gar nichts mehr. In Salzburg nicht einmal die Wahl eines Rektors.

Juristenkeulen und ad-personam-Angriffe in Leserbriefen

In den vergangenen Tagen bekam die Öffentlichkeit erstmals einen Einblick in den tiefen Graben an einer kleinen Universität: In Form eines Leserbrief-Schlagabtauschs in den „Salzburger Nachrichten“ und in Form anonym zitierter Insider auf salzburg.orf.at. – Was war geschehen?

Den Auftakt machte der Leserbrief „Eine akademische Provinzposse“ des ehemaligen Linguistik-Professors an der Universität Salzburg, Hubert Haider, am 22. August 2023. Haider griff darin erstmals den Senat der Universität Salzburg öffentlich an:

„Selbstverwaltung funktioniert gut, wenn Leistungsträger die Mehrheit haben. Sie rekrutieren wiederum Leistungsbereite. Das ist aber in einer Provinzuni nicht der Fall. Hier rekrutieren nette Leute nette Leute, aber tunlichst keine, die die provinzielle Gemütlichkeit durch Einforderung international etablierter Qualitätsansprüche frech stören könnten.“

Der Personalchef Michael Schaffer legte zwei Tage später mit dem Leserbrief „Rektor und sein Team arbeiten lassen“ nach. Sein Angriff galt diesmal expressis verbis den Rechtswissenschaftlern im Senat:

„Prof. Haider hat völlig Recht! Es ist dazu auch noch festzuhalten, dass es vor allem die Juristen im Senat sind, die seit Jahrzehnten über ihre Funktionärstätigkeit beharrlich versuchen, die PLUS (Paris Lodron Universität Salzburg) zu ‚beherrschen‘. Dabei ist es ihnen völlig egal, wenn sie gegen das Gesetz agieren, Fristen missachten und einflussreiche Rechtsprofessoren das Gesetz bewusst (oder unbewusst, was ebenso traurig wie peinlich wäre) missachten und einen offensichtlich geeigneten Rektor ausschließen.“

Der Rechtswissenschaftler Benjamin Kneihs (29. August 2023) und das Senatsmitglied Bernhard Pöll (30. August 2023) replizierten in zwei weiteren Leserbriefen schroff.

Auffallend sind dabei die rhetorischen Strategien von Kneihs und Pöll. Einerseits schwingen sie gegen ihre leserbriefschreibenden Kontrahenten sofort die Juristenkeule und drohen mit dem Zivil- und Strafrecht. Andererseits beleidigen sie die Leserbriefschreiber persönlich.


Juristenkeulen bei Kneihs (Hervorhebungen in fett S.W.):

„Herr Schaffer stellt in seinem Leserbrief („Rektor und sein Team arbeiten lassen“, 24. August) die ehrenrührige Behauptung auf, die Juristen im Senat würden rechtswidrig handeln. […] Es wurde geheim abgestimmt und die Protokolle der Beratung unterliegen dem Amtsgeheimnis. Somit deutet eher seine Information, wenn sie keine reine Vermutung ist, auf eine Rechtswidrigkeit hin.“

Auf gut Deutsch heißt das: Die Universität Salzburg und/oder Herr Kneihs erwägt, Herrn Schaffer wegen Kreditschädigung und Beihilfe zum Amtsmissbrauch zu klagen bzw. anzuzeigen. Habe ich das richtig verstanden?

Juristenkeule bei Pöll:

„Der studierte Jurist Schaffer sollte im Übrigen wissen, dass er mit dem ungerechtfertigten Vorwurf eines rechtswidrigen Handelns am Strafgesetz anstreift […].“


Ad-personam-Beleidigungen – in fein geschliffenen Worten – durch Kneihs:

„Somit spitzt sich das Problem auf die Frage der Eignung zu, zu deren Beurteilung das Gesetz nun allerdings nicht Herrn Schaffer beruft, sondern den Senat. Wenn der Senat seine diesbezügliche Einschätzungsprärogative in einer Weise ausfüllt, die Herrn Schaffer missfällt, so begründet dies nach allen Regeln der Kunst keine Rechtswidrigkeit.“

Ad-personam-Beleidigungen durch Pöll:

„[…] Menschen wie er selbst oder Michael Schaffer, die entweder aus Selbstüberhebung und ungezügelter Lust an der Polemik oder mit parteipolitischer Motivation versuchen, gesetzlich klar definierte Entscheidungsprozesse zu delegitimieren.“

„[…] der pensionierte Forscher Haider hätte gut daran getan, die jedermann frei zugängliche digitale Forschungsdatenbank der Universität mit den Namen der Senatsmitglieder abzugleichen.“


Fachliche Kompetenz erst auf Platz drei?

Die Wissenschaftler Kneihs und Pöll haben uns mit ihren Formulierungen eigentlich einen Gefallen getan: Sie haben nun auch der Öffentlichkeit bewiesen, dass man mit ihnen nicht sachorientiert diskutieren kann, weil sie 1. sofort die Juristenkeule schwingen und 2. sofort auf die persönliche Angriffsebene übergehen. Insofern ein gutes Outing! Man kann mit solchen Akteuren wohl keine rationalen Entscheidungen treffen und Konsense finden.

(Man sollte einmal diese rhetorischen Strategien erforschen, sie kommen mir von der Universität Salzburg nur allzu bekannt vor. Als ich einen Plagiatsfall mitsamt eines möglichen Amtsmissbrauchs des damaligen Vizerektors enthüllte, mailte mir der Betreuer, er habe „schon meine Anwälte in Stellung gebracht“. Eine sachliche Kritik an vielen Rechtschreib- und Grammatikfehlern in einer bevorstehenden wissenschaftlichen Publikation mündete im Vorwurf, ich habe in einer E-Mail das Wort „erschreckt“ ja selbst falsch verwendet.)

Die entlarvendste Stelle ist dann aber jene bei Pöll: Er schreibt, es gehe ausschließlich um die Frage, wer über die „persönlichen, kommunikativen und fachlichen Kompetenzen verfügt, um die mit der Funktion des Rektors verbundenen Managementaufgaben bestmöglich zu erfüllen“. Nun, das ist stark: Das „Fachliche“ kommt auf Platz 3, zuerst kommen „persönliche“, dann „kommunikative“ Kompetenzen. Ich frage zunächst einmal, ob „kommunikative“ Kompetenzen nicht auch „persönliche Kompetenzen“ sind (ohne die Kommunikationswissenschaftler-Keule zu schwingen) und was der Verfasser mit seiner Reihung wohl meinen könnte: Immer Lächeln, zu allen lieb sein und nur nichts entscheiden, was jemandem weh tun könnte? Geht es hier um Geschmeidigkeit, das „karibische Paradigma“?


War schon die Bestellung von Minister Polaschek zum Rektor der Universität Graz rechtswidrig?

In der Sache sieht die vertrackte Situation für die Lehnert-Gegner Kneihs, Pöll et al. nicht sehr gut aus. In den Erläuterungen zur UG-Novelle 2009 ist nämlich auf S. 14 nachzulesen (mein Dank für den Fund an Theo Anders vom „Standard“):

Der Fall, der laut Ministerium „praktisch nicht eintreten“ kann, ist nun aber schon zweimal in Österreich eingetreten.

Damit hätte unser glorreicher Bildungsminister Martin Polaschek tatsächlich nicht nach einem „Einervorschlag“ Rektor der Universität Graz werden dürfen. Ebenso hätte die Rektorswahl an der TU Graz so nicht über die Bühne gehen dürfen.

Zweifach gebrochenes Recht (genauer: zweifach gebrochene Teleologie einer Norm) bedeutet nicht, dass es in Salzburg weiter gebrochen werden darf. Man versteht jetzt, warum das BMBWF die höchst pikante Sache derzeit auf die lange Bank schiebt. Es geht ja nicht nur darum, dass das BMBWF mit einer Entscheidung gegen Lehnert diesem die Kompetenz absprechen müsste. Es geht vielmehr darum, dass das BMBWF mit einer Entscheidung pro Lehnert der Karriere ihres eigenen Ministers in den Rücken fallen würde.

4 Kommentare zu “Leserbrief-Schlagabtausch zur Rektorsposse an der Universität Salzburg: Wurde schon Polaschek nach einem „Einervorschlag“ rechtswidrig Rektor?

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  1. Westösterreicher

    Richtig, Herr Weber! Da wird mir zweierlei Maß gemessen! Das ganze UG hat mit Demokratie wenig zu tun, sondern ist im Grunde ein autoritäres Gesetz. Der Rektor spielt seine Rolle und eine kleine, aber einflussreiche Minderheit ärgert sich darüber, dass er nicht nach ihrer Pfeife tanzt. Diese kleine Minderheit entdeckt plötzlich die ‚Demokratie‘. Ich bin überzeugt: Gerade diese Herren würden sich einer echten Demokratisierung der Universitäten am vehementesten entgegenstellen!

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    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Dann wäre es in Wahrheit also genau umgekehrt? Jene, die sagen, dass der Rektor „zu autoritär“ sei, meinen in Wahrheit, dass er nicht nach der Pfeife anderer „Autoritäten“ wie etwa der des Senats tanzt? Wäre toll, wenn die Diskussion irgend etwas mit Ausbildung, Wissenschaft und Forschung zu tun hätte, also dem, worum es an den Unis eigentlich geht. Ich wiederhole daher meine Frage: Was ist da der Punkt der Kritik an Lehnert? Was hieße „zu autoritär“?

  2. Westösterreicher

    Diese Leserbriefe sagen alles: Vielen Dank für die weitere Verbreitung!
    Toi toi toi dem Salzburger Rektor!

    Antworten
    1. Stefan Weber Beitragsautor

      Ist es nicht äußerst interessant, dass die Gegner von Rektor Lehnert wie Kneihs oder Pöll nie schreiben, was nun wirklich das Problem ist? „Zu autoritär“ – das kann ja nicht der Punkt sein, oder? Dann müsste man die Position des Rektors doch ganz abschaffen. Man stelle sich vor, jemand würde sagen, der Innenminister sei „zu autoritär“. Die „Autorität“ gehört doch hier wie dort zum Amt. Hat Rektor Lehnert seine Kompetenzen überschritten? Tritt er als Diktator auf? Was ist der Punkt?

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